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Gone Girl - Gillian Flynn

4.5 Totoros

Rezension auch hier ==> Gillian Flynn – Gone Girl – Das perfekte Opfer | AnjaIsReading

Fairytale Gone Bad trifft Psycho…

Das ist mir beim Lesen dieses Buches nicht nur einmal durch den Kopf geschossen. Gone Girl ist ein bisschen anders als andere Krimis und absolut genial. Die Story ist intelligent, spannend und böse. So abgrundtief böse, dass mir nicht nur einmal die Kinnlade runtergeklappt ist. Was in der Geschichte abgeht, ist (in Ermangelung eines besseren Wortes) Mindfuck vom Feinsten.

Eigentlich ist der Plot recht simpel. Eine Frau verschwindet spurlos und ihr Ehemann wird verdächtigt sie umgebracht zu haben. Sein merkwürdiges Verhalten und viele andere Kleinigkeiten lassen kaum einen anderen Schluss zu.
Ja, klingt einfach, ist es aber nicht. Denn hinter der extrem geschickt gestrickten Handlung steckt so viel mehr, sie weiß zu Überraschen und bringt die ein oder andere heftige Wendung mit sich. Viel mehr sollte man vor dem Lesen gar nicht wissen, man sollte sich so unbelastet wie möglich auf die Story einlassen, damit sie ihre Wirkung perfekt entfalten kann.

Alles fängt recht langsam und (wenn man so will) harmlos an. Ausgangspunkt ist der fünfte Hochzeitstag der beiden Hauptprotagonisten Nick und Amy, die abwechselnd zu Wort kommen, wobei Nick von den aktuellen Ereignissen berichtet und dabei immer wieder in Erinnerungen abtaucht, während Amy über ihre alten Tagebücher zu Wort kommt, in denen die Jahre der Beziehung der beiden aufgerollt werden. Diese Erzählweise war anfangs etwas verwirrend und hat dennoch einen merkwürdigen Sog entwickelt, dem ich mich nicht entziehen konnte. Und ohne dass ich es wirklich gemerkt hätte, war ich nach kurzer Zeit war ich so gefesselt, dass ich am liebsten ununterbrochen gelesen hätte.

Denn was als scheinbar einfaches Ehedrama beginnt, entwickelt sich schnell zu einem undurchsichtigen Thriller vollgepackt mit Lügen, Widersprüchen und Geheimnissen, gescheiterten Existenzen, zerplatzten Träumen, verletzten Eitelkeiten und Hass. Gewürzt wird das Ganze mit morbiden Psychospielchen, rabenschwarzem Humor, faszinierenden Blicken in menschliche Abgründe und gleichermaßen abstoßend wie beeindruckend gezeichneten Charakteren, die auf unangenehme Art authentisch wirken und von denen ich nicht einen einzigen als sympathisch oder einnehmend empfunden habe.
Das galt besonders für beiden Hauptprotagonisten, die undurchschaubar und ohne Zweifel unaufrichtig waren, die sich nicht wirklich hinter ihre Maske haben schauen lassen, bei die Opfer/Täterrolle kaum auszumachen war und bei denen ich mich nicht entscheiden konnte, mit wem ich nun letztendlich mitfiebern sollte.
Letzteres hat sich übrigens als einziger Punkt bis zum Schluss nicht geändert…

Der Spannungsbogen baut sich langsam auf, schlägt dafür aber umso heftiger zu und wird vor allem kontinuierlich gehalten. Es lohnt sich, Kapitel für Kapitel auf die nicht wenigen Höhepunkte in der Geschichte zuzusteuern. Einige davon sind wahre Knaller, besonders der Moment, der die Wendung von böse zu abgrundtief böse einleitet.
Ich kann einfach nur bewundern, was für einen genialen Bösewicht Gillian Flynn entwickelt hat, der, hochintelligent, vorausschauend und geduldig wie er ist, mit wahnsinnig pedantischer Sorgfalt und Konsequenz einen wasserdichten Mordfall zu konstruieren.
Dabei ist packend mit anzusehen, wie ein Rädchen des Plans ins andere greift und sich die Protagonisten durch die gesponnenen Fäden hindurch manövrieren.

Obwohl ab einem gewissen Punkt klar wird, was wirklich passiert ist und wer der Bösewicht ist, trotzdem fährt der Plot spannungstechnisch weiterhin Achterbahn. Denn der Plan ist noch lange nicht am Ende. Zum einen ist auch der clevere Bösewicht nicht vor unschönen Überraschungen gefeit, zum anderen steht die Demontage des Mordfalles auf dem Programm, bei dem ich mich immer wieder gefragt habe, wie dieses perfekte Konstrukt aufgelöst werden soll. So bleibt die Geschichte wirklich bis zum Schluss kurzweilig und unterhaltsam.

Womit ich beim einzigen negativen Punkt ankomme, den das Buch für mich zu bieten hatte. Der Schluss. Der hat mich ziemlich enttäuscht. Eben noch mitten in der Geschichte und dann auf einmal… fertig. Es bleiben zwar keine Fragen mehr offen, für mich ist der Plot dennoch nicht abgeschlossen. Im Sinne der Dramaturgie ist das sicherlich ein großartiger Kunstgriff, ich hätte mir aber einen befriedigenderen Abschluss für dieses ansonsten unglaublich tolle Buch gewünscht.

Kurz noch zum Schreibstil: An dem habe ich nichts auszusetzen. Er passt wunderbar zur Story und, was ich sehr gut finde, die Erzählstimmen von Nick und Amy unterscheiden sich deutlich. Das ist ja bei Büchern mit mehreren Sichtweisen nicht immer der Fall. In die deutsche Ausgabe habe ich nur über eine Leseprobe reingelesen, aber was ich da gesehen habe, hat einen positiven Eindruck bei mir hinterlassen.

Alles in allem ist Gone Girl ein großartiges Buch, bei dem der Anfang zwar etwas schleppend ist und das Ende enttäuscht, alles dazwischen aber für mich keinen Grund zur Klage bietet. Wer intelligente Handlungen und clevere Charaktere mag, sollte hier wirklich mal einen Blick riskieren.